Orly
In „Orly“ nimmt Angela Schanelec die Zuschauer mit auf eine stille Reise in die Atmosphäre eines Flughafens, wo das Leben zwischen den Flügen zu schweben scheint. Der Film verwebt die Geschichten von Reisenden, die sich im Transit befinden, wobei der Pariser Flughafen Orly mehr als nur ein Hintergrund ist; er wird zur Bühne für Begegnungen, Abschiede und unerwartete Offenbarungen. Durch das subtile Spiel der Darsteller, darunter Natacha Régnier und Bruno Todeschini, entstehen Momentaufnahmen menschlicher Zustände, die sich in der Schwebe zwischen Ankunft und Abflug entfalten.
- Regnier, Natacha, Todeschini, Bruno, Perrier, Mireille (Actors)
- Ringel, Gian-Piero (Director)
- Audience Rating: Freigegeben ohne Altersbeschränkung
Mit einer minimalistischen Erzählweise und einer Kamera, die geschickt die flüchtigen Momente einfängt, schafft Schanelec eine intime, fast voyeuristische Ansicht auf die Charaktere. Die Zuschauer werden eingeladen, die oft übersehenen, doch intensiven emotionalen Landschaften zu erkunden, die sich hinter der Routine des Reisens verbergen. Wird „Orly“ es schaffen, Sie in seine ruhige Beobachtung des menschlichen Zustands hineinzuziehen?
Besetzung / Darsteller, Regie und Drehorte vom Film
„Orly„, ein Drama unter der Regie von Angela Schanelec, kam 2010 in die Kinos und erstreckt sich über 83 Minuten. Zu den Hauptdarstellern gehören Natacha Régnier als Juliette und Bruno Todeschini als Vincent. Ergänzt wird das Ensemble durch Mireille Perrier und Emile Berling als Mutter-Sohn-Duo sowie weitere Talente wie Jirka Zett und Maren Eggert. Für die kreative Ausgestaltung waren Schanelec und Reinhold Vorschneider verantwortlich, wobei Schanelec auch das Drehbuch schrieb und Vorschneider die Kameraführung übernahm. Der Schnitt des Films lag in den Händen von Mathilde Bonnefoy, unterstützt von der musikalischen Untermalung Cat Powers.
Der Film wurde während der 60. Internationalen Filmfestspiele von Berlin im Forum präsentiert und erhielt den Filmkunstpreis 2010 beim Festival des deutschen Films in Ludwigshafen. Gedreht wurde vorwiegend am Pariser Flughafen Orly, wobei der Film auch in anderen Flughäfen hätte spielen können. Schanelec nutzte echte Passanten und Flugreisende für die Kulisse, was dem Film eine authentische Atmosphäre verlieh.
Angela Schanelec verwendete in „Orly“ eine spezielle filmische Technik, indem sie Teleobjektive einsetzte, um die dramatischen Szenen vor unbeteiligten Menschenmengen aufzunehmen. Dies ermöglichte es, die Handlungen unbemerkt zu inszenieren. Die Regisseurin, ehemals Theaterschauspielerin, legte Wert auf lange Einstellungen, die das Publikum ungewöhnlich stark in das filmische Erleben einbinden und eine intensive Wahrnehmung von Raum und Zeit fördern.
Zusammenfassung & Story vom Film „Orly“
Im belebten Paris folgen wir Juliette, einer Französin, die in Kanada lebt. Sie fährt zum Flughafen Orly. Dort begegnet sie Vincent, einem Musikproduzenten, der nach Paris zurückkehren will. Ihre Gespräche offenbaren tiefere Gefühle. Trotz ihrer Ehe und Mutterschaft verliebt sich Juliette in Vincent. Die gegenseitige Anziehung ist spürbar, doch bleibt Vincent eine klare Antwort schuldig. Verschiedene Emotionen kommen zum Vorschein, während sie ihre Überseeflüge erwarten.
Zur gleichen Zeit warten eine Mutter und ihr fast erwachsener Sohn in Orly Sud. Sie sind auf dem Weg zu einer Beerdigung. Im Café des Flughafens eröffnet die Mutter, dass sie ihren verstorbenen Ehemann betrogen hatte. Ihr Sohn überrascht sie daraufhin mit seinem Coming-out. Diese Offenbarungen bringen sowohl Spannung als auch Verständnis zwischen ihnen.
Unterdessen dokumentiert ein deutscher Rucksacktourist das Geschehen am Flughafen. Er und seine Freundin scheinen sich nicht bewusst zu sein, dass ihre Beziehung bröckelt. Während er filmt, vertieft sich seine Freundin in ein Buch. Parallel dazu kämpft Sabine mit dem Abschiedsbrief ihres Liebhabers Theo, der sie verlassen hat. Der Film schließt mit einer Evakuierung und Sabines Rückkehr nach Paris, während Theo’s Stimme einen endgültigen Abschied ankündigt.
Kritiken und Fazit zum Film „Orly“
Angela Schanelecs Film „Orly“ entfaltet sich im transitären Ambiente des Pariser Flughafens und setzt die Bruchstückhaftigkeit des menschlichen Daseins bildgewaltig in Szene. Allerdings, und dies fällt durchaus ins Gewicht, vermisst man eine tiefere Verknüpfung zwischen den einzelnen Episoden, was bei manchem Zuschauer Fragen offenlässt. Schanelecs Regie bleibt dabei kühn und distanziert, sie widersetzt sich konventionellen Erzählstrukturen und legt den Fokus auf die subtile Beobachtung. Ihre Charaktere scheinen oft verloren in der weiten Architektur Orlys, ihre Geschichten flüchtige Momente im Strom der Reisenden. Die Regisseurin nutzt diese Settings, um eine Atmosphäre der Unsicherheit und des Wartens zu schaffen, doch der mangelnde narrative Zusammenhalt könnte als Manko empfunden werden.
Visuell beeindruckt „Orly“ mit einer präzisen Kamerarbeit, die die anonyme Hektik des Flughafens in eine Bühne verwandelt. Reinhold Vorschneiders Kameraführung fängt die Protagonisten in langen, meditativen Einstellungen ein, wodurch die Zufälligkeit ihrer Begegnungen betont wird. Dennoch, die Verwendung von Cat Powers Musik in einer Schlüsselszene mag zwar künstlerisch wertvoll sein, wirkt jedoch stellenweise aufgesetzt und nicht vollständig in den Film integriert. Diese Momente der künstlerischen Freiheit sind typisch für Schanelec, jedoch bleibt fraglich, ob sie das Publikum vollends erreichen.
Abschließend bietet „Orly“ ein faszinierendes, wenn auch herausforderndes Filmerlebnis. Schanelec fordert ihr Publikum, die gewohnten Erzählweisen abzulegen und sich auf eine filmische Reise durch die Zwischenwelt eines Flughafens einzulassen. Die melancholische Grundstimmung und die philosophischen Unterströmungen sind bemerkenswert, doch die Fragmentierung der Handlung kann dazu führen, dass die emotionale Wirkung auf den Zuschauer begrenzt bleibt. Schanelec bleibt eine Meisterin der filmischen Form, doch „Orly“ könnte als eine ihrer weniger zugänglichen Arbeiten angesehen werden.